In Würde und schmerzfrei sterben: Das wünschen sich wohl alle Menschen, die sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Doch was geschieht, wenn der Sterbeprozess von starken Schmerzen oder anderen Leiden begleitet wird? Für viele Betroffene scheint Sterbehilfe eine Erlösung von einem Leben in Qualen zu sein. Wir informieren Sie über die Sach- und Rechtslage in Deutschland.
Hilfe beim Sterben: Ein kontrovers diskutiertes Thema
Für viele Menschen stellt Sterbehilfe einen Akt der Menschlichkeit dar. Oftmals sind es Ärzte, Pfleger, Verwandte oder Freunde, die von der kranken oder sterbenden Person darum gebeten werden. Doch Sterbehilfe ist kein einfaches und ein in Deutschland rechtlich und ethisch stark diskutiertes Thema.
Gegner der Sterbehilfe argumentieren, die Hilfe würde einen Eingriff in das Leben darstellen. Viele stützen sich dabei auf die Religion: So plädiert etwa der Vatikan dafür, dass Sterbehilfe die Grenzen der Selbstbestimmung überschreite. Anfang und Ende des Lebens sind der Macht des Menschen entzogen und einer höheren Verfügung bestimmt.
Wer es sich selbst oder seinen Angehörigen am Lebensende erleichtern möchte, der sollte sich auch unbedingt mit dem Thema Hospiz beschäftigen. Dort wird den Menschen ein würdiger und möglichst schmerzfreier Abschied vom Leben ermöglicht.
Was ist Sterbehilfe?
Laut der Definition handelt es sich bei Sterbehilfe um die Hilfe beim Sterben, etwa durch Schmerzbeseitigung und Vermeidung eines „Todeskampfes“. Zudem wird auch das Töten oder Sterben lassen eines schwer kranken oder sterbenden Menschen als Sterbehilfe verstanden, sofern es aufgrund des eigenen ausdrücklichen oder mutmaßlichen Verlangens des Betroffenen erfolgt. Die aktive Suizidbeihilfe und die Tötung auf Ersuchen des Patienten gehören ebenfalls dazu.
Die Möglichkeiten der Sterbehilfe in Deutschland
Unterschieden wird die Sterbehilfe in Deutschland in vier Kategorien.
- Die aktive Sterbehilfe: In Deutschland per Gesetz verboten und wird nach § 216 Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt.
- Die passive Sterbehilfe: straffrei und möglich.
- Indirekte Sterbehilfe: ebenfalls straffrei und möglich.
- Beihilfe zum Suizid: möglich, teilweise jedoch eine rechtliche Grauzone und Inhalt einer Orientierungsdebatte im Bundestag.
Die aktive Sterbehilfe
Es handelt sich um aktive Sterbehilfe, wenn ein außenstehender Dritter in den Sterbeprozess eingreift und dadurch der Tod eintritt, nachdem ein Patient ausdrücklich sein Verlangen nach der Hilfe zum Sterben geäußert hat. Es kann vorkommen, dass ein leidender Mensch darum bittet, von seinen Qualen erlöst zu werden. Die Herbeiführung des Todes wird in der Regel durch Verabreichung einer Überdosis Medikamente erreicht.
Das Recht des assistierten Suizids in Deutschland
In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe gesetzlich verboten und wird strafrechtlich von den Behörden verfolgt. Wer einem Menschen aktive Sterbehilfe zukommen lässt, dem droht eine Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren.
Auch in vielen weiteren Ländern weltweit gilt dieses Verbot. Eine Ausnahme stellen einige wenige EU-Länder wie Belgien, Spanien, Niederlande und Luxemburg dar, dort wird auf ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gesetzt.
Die passive Sterbehilfe
Passive Sterbehilfe = das Nichtergreifen (Unterlassen), Reduzieren oder Nichtfortführen (Abbrechen) lebenserhaltender Maßnahmen aus medizinethischen Gründen. (Quelle: Wikipedia)
Zu diesen lebenserhaltenden Maßnahmen zählen unter anderem der Verzicht auf Ernährung, lebensnotwendige Medikamente oder Beatmung. Die Behandlung wird auf Wunsch des Patienten unterlassen oder abgebrochen, häufig, weil die Behandlungsmaßnahmen keinen Erfolg versprechen und den qualvollen Sterbeprozess nur verlängern.
Voraussetzung für die passive Sterbehilfe
Die passive Sterbehilfe ist für die behandelnden Ärzte nur bindend und straffrei, wenn eine schriftlich fixierte Willenserklärung des Patienten vorliegt. Insofern ist es enorm wichtig, eine Regelung zu treffen und zu Lebzeiten eine Patientenverfügung zu erstellen.
Wenn es keine Verfügung gibt und der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen aktiv mitzuteilen, kann straffrei keine passive Hilfe zum Sterben geboten werden.
Die indirekte Sterbehilfe
Bei der indirekten Sterbehilfe werden dem Patienten Medikamente verabreicht, die zur Linderung von Schmerzen oder Angst gedacht sind, gleichzeitig aber auch durch ihre Nebenwirkungen zum vorzeitigen Tod führen können. Hierbei drohen dem behandelnden Arzt keine strafrechtlichen Konsequenzen.
Der assistierte Suizid
Die Beihilfe zum Suizid bezeichnet eine Handlung, bei der ein Betroffener von einem Dritten bei der Selbsttötung unterstützt wird. Die dritte Person verabreicht dem kranken Menschen dabei kein Mittel aktiv, sondern stellt es nur auf Wunsch zur Verfügung. Der Sterbende nimmt es eigenständig ein und beendet so selbstbestimmt sein Leben.
Die Beihilfe zum Selbstmord ist aktuell in Deutschland nicht strafbar. Jedoch gilt die unterlassene Hilfeleistung zu beachten, die sehr wohl gemäß § 323c Strafgesetzbuch verboten ist und bestraft wird.
Unterlassene Hilfeleistung bei der Beihilfe zum Suizid
Auf Wunsch des Betroffenen darf eine dritte Person Beihilfe zum Suizid leisten. So ist es erlaubt, eine große Packung Schlaftabletten neben das Bett des kranken Menschen zu legen. Werden die Tabletten dann jedoch genommen und der Dritte ist anwesend oder erfährt davon, ist er verpflichtet, Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten und den Notarzt zu rufen.
Laut Gesetz macht sich jede Person wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar, wenn sie keine Handlung einleitet, um so das Leben eines anderen Menschen zu retten.
Bis 2020: Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe
Gemäß § 217 StGB ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verboten und wird mit einer Freiheits- oder Geldstrafe bestraft. Hier der genaue Wortlaut des Paragrafen:
§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.
Dies führte dazu, dass Sterbehilfeorganisationen, aber auch Ärzten die Hände gebunden waren. Bis 2020 waren also nur Angehörige oder Nahestehende in der Lage, straffrei Beihilfe zum Suizid zu leisten.
Es wurden ab 2015 zunehmend Stimmen lauter, die eine Reform der Rechtslage des assistierten Suizids in Deutschland forderten.
Medizinethik und Euthanasie
Besonders unter dem Aspekt der Medizinethik war das Thema kontrovers diskutiert. So forderten 180 deutsche Mediziner im Jahr 2015 in einem Schreiben an die Bundesärztekammer ein Bekenntnis zur Sterbehilfe. Sie schrieben: „Es ist nicht nur ethisch vertretbar, sondern hilfreich und human, einen schwerst leidenden Patienten nicht im Stich zu lassen“.
Der damalige Präsident der Bundesärztekammer Montgomery lehnte den ärztlich begleiteten Suizid jedoch entschieden ab.
Bundesverfassungsgericht bestimmt Recht auf selbstbestimmtes Sterben
Bis 2020 war die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung demnach in Deutschland strafbar. Es wurden jedoch verstärkt Beschwerden eingelegt. Zudem erhoben kranke Menschen, die Suizidhilfe in Anspruch nehmen wollten, Sterbehilfevereine und einige Ärzte Klage beim Bundesverfassungsgericht.
Nach einer mündlichen Verhandlung wurde schließlich am 26. Februar 2020 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefällt, das den § 217 StGB als nichtig erklärt. Es wurde klargestellt, dass der Paragraf gegen das Grundgesetz verstoße, da das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein Grundrecht sei.
Das Gericht forderte gleichzeitig die Politik auf, die Gesetzeslage der Sterbehilfe neu zu regeln. Daraus entstand die Orientierungsdebatte der Abgeordneten im Bundestag, die nach wie vor nicht beendet ist.
Aktuell finden Gespräche und Sitzungen der Abgeordneten statt. Eine wichtige Beratung gab es am 18. Mai 2022. Dabei wurde die Reform der Sterbehilfe von den Abgeordneten im Bundestag diskutiert. Es wurde auch ein Gesetzentwurf (Drucksache 20/904) eingereicht. Darin sind unter anderem folgende Themen, Daten und Vorschläge zu finden:
- Geschäftsmäßige Förderung des Selbstmords wird strafbar.
- Geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid ist legal, wenn:
- Die sterbewillige Person volljährig und einsichtsfähig ist.
- Mindestens zweimal zur Beratung bei einem Facharzt der Psychiatrie und/oder Psychotherapie war.
- Mindestens eine ergebnisoffene Beratung stattgefunden hat.
- Werbung für Hilfe zum Selbstmord soll untersagt werden.
- Aufklärung durch Ärzte ist dagegen legitim.
- Ein tödlich wirkendes Medikament soll in diesen Fällen als betäubungsmittelrechtlich begründet gelten.
Aktuell (Stand 07/2022) sind die Vorschläge des Gesetzesentwurfes vom Bundestag weder angenommen noch abgelehnt. Bis hier eine Entscheidung durch Abgeordnete getroffen wird, ist die Beihilfe zum Suizid von Ärzten, Sterbehilfevereinen und Organisationen weiterhin ein rechtlicher Graubereich.
Problematik des Suizid-Mittels
Nun ist zwar seit 2020 die geschäftsmäßige Förderung des Suizids unter bestimmten Umständen erlaubt. Allerdings sind im Kontext der Sterbehilfe im Allgemeinen immer noch einige Themen nicht geklärt.
Dazu gehört unter anderem die Freigabe entsprechender Medikamente, mit denen sich der lebensmüde Mensch legal richten kann. In diesem Zusammenhang ist vorwiegend das Mittel Natrium-Pentobarbital im Gespräch.
Am Oberverwaltungsgericht in Münster wurde 2022 verhandelt, ob das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn das Betäubungsmittel zur Verfügung stellen muss. In dem Urteil wurde die Klage abgelehnt. Dabei stand in dem Urteil primär der Schutz von Menschen im Fokus, die sich aus einer verzweifelten Lage oder Depression heraus das Leben nehmen möchten. Die verantwortliche Stelle sowie auch die belieferten Apotheken sollen nicht in die Lage kommen, dass sie ein todbringendes Mittel an Menschen verabreichen, denen durch Therapie einzeln oder in der Gruppe, Beratungsgespräch oder ähnliches geholfen werden kann.
Sterbehilfe im Ausland
Einige wenige Nachbarländer bieten eine unkomplizierte Sterbehilfe an, da das dortige Recht klarer ist. Die gesetzliche Regelung in der Schweiz besagt seit Jahren, dass Unterstützung zum Sterben legal ist. Auch die Niederlande, Belgien und Luxemburg verfolgen Sterbehilfe strafrechtlich nicht.
Dies hat zur Folge, dass einige Betroffene sich an einen im Ausland ansässigen Anbieter der Sterbebegleitung wenden, um ihre letzte Reise anzutreten. Für diese betroffenen Menschen ist die Möglichkeit, selbst über den Zeitpunkt und die Art des eigenen Todes wählen zu können, eine große Erleichterung und zugleich Erlösung. An einem Ort fernab von daheim friedlich zu sterben, wird dafür in Kauf genommen.
FAQ Sterbehilfe
Was ist Sterbehilfe?
Sterbehilfe umfasst verschiedene Maßnahmen, um das Sterben eines schwerkranken Menschen zu erleichtern. Sie kann passiv durch das Absetzen lebenserhaltender Maßnahmen erfolgen, indirekt durch schmerzlindernde Medikamente oder als assistierter Suizid, bei dem eine tödliche Dosis bereitgestellt wird. Ziel ist es, die Würde des Patienten zu wahren und Leid zu lindern. Die Palliativmedizin spielt hierbei eine wesentliche Rolle, um das Leiden zu minimieren.
Welche Arten von Sterbehilfe gibt es?
- Aktive Sterbehilfe: Die aktive Tötung auf Wunsch des Patienten ist in Deutschland verboten und strafbar.
- Passive Sterbehilfe: Das Unterlassen oder Abbrechen lebenserhaltender Maßnahmen ist erlaubt, wenn es dem Willen des Patienten entspricht und wird oft in der Palliativmedizin angewandt.
- Indirekte Sterbehilfe: Medikamente zur Schmerzlinderung, die möglicherweise das Leben verkürzen, sind erlaubt, solange das Hauptziel die Linderung und nicht die Tötung ist.
Ist assistierter Suizid derzeit verboten?
Assistierter Suizid ist in Deutschland grundsätzlich nicht verboten, bleibt jedoch rechtlich unklar. Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2020 das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, aber klare Regelungen für eine medizinische Suizidhilfe fehlen. Eine Reform befindet sich in der politischen Diskussion.
Was ist ärztlich assistierter Suizid?
Ärztlich assistierter Suizid bedeutet, dass ein Arzt auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten ein tödlich wirkendes Mittel zur Verfügung stellt, das der Patient eigenständig einnimmt. Der Arzt greift nicht aktiv in den Suizid ein, respektiert aber den Patientenwillen. Diese Form kann mit der Palliativmedizin kombiniert werden, um den Patienten optimal zu betreuen, falls der Wunsch zurückgenommen wird.
Welche Sterbehilfe ist strafbar?
In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe strafbar. Eine direkte Tötung auf Verlangen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Hingegen sind passive und indirekte Sterbehilfe erlaubt, sofern sie den medizinischen Vorgaben und dem Patientenwillen entsprechen.
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